Was geht in Mitte?

Mitte, Mitte massiv

Was geht denn in Mitte? Ziemlich viel. Um einen Eindruck zu bekommen, machen wir einen geistigen Spaziergang und stellen ein paar ausgewählte Hotspots für alle Kultur-, Kunst- und Genuss-Interessierte vor. Und zwar abseits der typischen Berlin Classics. Zur Orientierung: wir befinden uns in der Gegend um die Torstraße. Letztere beginnt an der Friedrichstraße und geht fast bis zum Alexanderplatz. Nach der Wende siedelten sich hier zahlreiche Galerien an, zogen aus den Westbezirken hierher und prägten die Künstler-Szene entscheidend. Was damals als avantgardistische, abenteuerliche Spielwiese für alle Richtungen der Kunst begann, ist heute eines DER Zentren für Gegenwartskunst in Europa. Im reizvollen Zusammenspiel von alter und neuer Architektur, von Vergangenem und Gegenwärtigem sowie urbaner und internationaler Vielfalt lässt sich viel entdecken. Langweilig wird es in Mitte nie.

Margarine und Kunst

In einer alten Fabrik für Margarine in der Auguststraße 69 befindet sich bereits seit 1991 das KW – Institute for Contemporary Art. Damals schlossen sich Künstler und Kunstfreunde zusammen, um einen Ort der Präsentation und des Austausches über Kunst zu gründen. Diesen nannten sie Kunst Werke. Schnell hatte ihr Konzept Erfolg und das KW ist heute eines der produktivsten, international beachteten und bekannten Orte für die Diskussion zeitgenössischer Kunst. Ohne eigene Sammlung wird flexibel gestaltet und geplant, immer im engen Austausch mit den Künstlern. In dem großen Gebäudekomplex findet sich neben Ausstellungsetagen, Veranstaltungsräumen, Wohnungen und Ateliers das Café Bravo im Innenhof. Das innen wie außen architektonisch interessant gestaltete Cafe wurde vom amerikanischen Künstler Dan Graham designet. Vor allem der Glaspavillon macht Eindruck. Für Künstler und Anwohner der umliegenden Straßen eine echte Institution.

KW-©-Uwe-Walter

Auf einen Tanz bei Clärchen, dann weiter mit dem Genuss

Im legendären Clärchens Ballhaus in der Auguststraße kann man nicht nur in charmanter 20er-Jahre-Atmosphäre etwas trinken, hier wird seit über 100 Jahren – der Name verrät es – ausgiebig getanzt. Im Sommer kann man vor dem berühmten Etablissement in grüner Umgebung schön draußen sitzen. Ebenfalls in der Auguststraße befindet sich die Ehemalige Jüdische Mädchenschule, wo sich seit 2012 Kunst und Genuss vereinen. In den früheren Klassenräumen haben sich drei Galerien angesiedelt, die Werke aus der modernen Malerei, Skulptur und Fotografie zeigen. Das Mogg & Melzer bringt in amerikanischer Deli-Atmosphäre die klassische New Yorker Esskultur nach Berlin. Das Pastrami Sandwich ist ein Geheimtipp. Im mondänen Stil der Golden Twenties lässt es sich im Pauly Saal schlemmen. Die Küche dieser Zeit wird hier modern interpretiert. Auch die Architektur der 1927 erbauten Schule ist ein sehenswerter Genuss.

Clärchens-Ballhaus-©Bernd-Schönberger

Gebunkerte Kunst

In der Reinhardtstraße 20 steht ein ungewöhnliches Bauwerk mit einer schillernden Historie. Vom 2. Weltkrieg über Bananen, verwegenen Partys bis hin zur Kunst: der beeindruckende Bunker hat viel gesehen. 2003 erwarb der Kunstsammler Christian Boros das Gebäude, renovierte, baute um und arrangierte darin seine private Sammlung zeitgenössischer Kunst. Seit 2007 kann diese in Führungen besichtigt werden (eine Anmeldung über die Homepage ist erforderlich). Wenn man vor dem Bunker steht, unbedingt mal einen Blick nach oben werfen. Dort befindet sich das Penthouse der Familie Boros. Der Berliner Bunker: von oben bis unten spektakulär.

Boros-Bunker-©NOSHE

Kultur in der Auster

Es geht Richtung Spree. Wir bleiben bei ungewöhnlicher Architektur und schauen uns das Haus der Kulturen der Welt an, einen kosmopolitischen Ort für die zeitgenössischen Künste. Der gemeine Tourist lernt es bei jeder Stadtrundfahrt: im Berliner Volksmund heißt das 50er-Jahre-Bauwerk „Schwangere Auster“, es gab sie von den USA geschenkt und bis 1989 war sie eine Kongresshalle. Seitdem finden dort Veranstaltungen, Ausstellungen von künstlerischen Produktionen und mehr statt. Das Programm des HKW ist bunt, interessant und international: nichteuropäische Kulturen und Gesellschaften stehen im Fokus.

Schwangere-Auster-©Sabine-Wenzel

Außen 1969er Klassizismus, innen zeitgenössische Kunst

Wir gehen ein Stück mit Blick auf die Berliner Classics Museumsinsel und Dom und landen in der Oberwallstraße 1. Da steht der sogenannte Schinkel Pavillon. Hört sich klassisch an und sieht auch so aus, ist er aber nicht. Der Kunstverein für zeitgenössische Skulptur ermöglicht Künstlern ihre Arbeiten jenseits kommerzieller Galerien auszustellen. Er ist eine Plattform zur Förderung internationaler und nationaler Gegenwartskunst. Nicht nur innen geht es mit wechselnden Ausstellungen spannend zu. Außen ist das 1969 erbaute Gebäude rundum verglast und verbindet klassizistische mit moderner Architektur. Interessant. Ein kleiner Geheimtipp am Rande: ein kleiner Schwenk zur Prachtstraße Unter den Linden lohnt sich immer. Hinter der Eingangshalle der Humboldt Uni stellt eine Initiative von Studenten der Kunstgeschichte moderne Kunst aus, darunter öfters mal sehr Bekanntes.

Außen hui, innen hui

Gegenüber der Museumsinsel steht ein von Stararchitekt David Chipperfield geplantes Gebäude, das ebenfalls Architektur und Inhalt bestens zu verbinden weiß. Im Inneren stellt die Galerie Contemporary Fine Arts, kurz CFA, Kunst von Jonathan Meese über Daniel Richter bis hin zu Blixa Bargeld aus. Und von vielen mehr. Im ersten Stockwerk kann die private Sammlung der Besitzer Celine und Heiner Bastian besichtigt werden.

Private Sammelleidenschaft wird samstags öffentlich

Privat geht es auch in den Sophie-Gips-Höfen in der Sophienstraße 21 zu. Dort öffnet Kunstsammlerin Erika Hoffmann jeden Samstag ihre Türen, um die von ihr und ihrem Mann Rolf gesammelte Kunst zu zeigen. Die beiden begannen 1968 moderne Kunst zu sammeln, darunter Werke von Gerhard Richter, Frank Stella und Bruce Naumann. Anmelden kann man sich dafür hier.